Allein in Frankreich stehen über 43.600 Gebäude unter Denkmalschutz [1]. Die regelmäßige Instandhaltung ist dabei eine große Herausforderung.
Die Renovierung historischer Bauwerke und Denkmäler ist ein sehr spezielles Feld innerhalb der Bauindustrie, da es nicht um herkömmlichen Neubau geht, sondern um die möglichst identische Reproduktion bzw. Wiederherstellung von bereits bestehender Substanz. Jeder Baustein wird im Restaurationsprozess als einzigartiges, individuelles Element betrachtet, das identifiziert, bewertet und, falls nötig, auch ersetzt wird. Im letzteren Fall muss der Bauherr kontinuierlich den Zustand jedes Bausteins nachverfolgen, von der Fertigung bis zur Einsetzung ins Bauwerk. Ebenso muss gegenüber den Steinmetzen sehr genaue Anforderungen zu der Fertigung jedes Steins spezifiziert werden. Deshalb dauern Projekte mit historischen Denkmälern meist sehr lange, sind kostenintensiv und erfordern akribischen Vorbereitung und Durchführung.
In den letzten Jahren, haben Digitale Zwillinge in diesem Sektor ihren Platz gefunden. Der digitale Zwilling, in diesem Kontext das dreidimensionale digitale Modell eines Gebäudes, erlaubt es nicht nur aus dokumentarischer Sicht Informationen zu dem Gebäude festzuhalten, um zukünftige Instandhaltungsarbeiten zu vereinfachen, sondern lässt – beispielsweise im Falle einer fotorealistischen Darstellung – auch für die Besucher ein völlig neues physisches oder virtuelles Erlebnis zu.
Die heute zur Verfügung stehenden Technologien, haben die Umsetzung digitaler Zwillinge stark vereinfacht. Messbildverfahren ermöglichen es, mehrere Kameraeinstellungen zu kombinieren und so ein konsistentes Bild des Denkmals zu rekonstruieren. Point Cloud-basierte Modelle mit einer Präzision von bis zu einem Millimeter können über 3D-Scanning-Technologien relativ einfach und kostengünstig erstellt werden [2]. Ein sehr bekanntest und sehr bemerkenswert Beispiel dafür ist das Modell der Kathedrale Notre-Dame. Nach dem Brand im Jahr 2019, wird das digitale Modell zurzeit parallel zu den Renovierungsarbeiten erstellt – auch, um in diesem Zuge alles verfügbare Wissen über die Originalstruktur zu erfassen [3] und für zukünftige Generationen digital zu konservieren.
VINCI ist sich dem Potenzial hinter diesen Technologien bewusst und hat durch seine Marke Sixense das Scanlab gegründet, ein Center of Competence für Scanning Technologien, das seinen Kunden die Möglichkeit bietet, hochpräzise 3D- und photogrammetrische Messungen anzufertigen [4]. Von der präzisen Erfassung zur Analyse ist es nur ein kleiner Schritt und tatsächlich werden in einige Projekten Themen wie die automatische Risserkennung in Betonbauten untersucht.
Dabei arbeitet man eng mit den VINCI-Konzernprogramm Leonard zusammen, das VINCI-Geschäftsbereiche bei der Durchführung von AI-Projekten unterstützt. In einem jüngeren Projekt hat man beispielsweise gemeinsam mit der französischen Gebäuderestaurierungsfirma Pateu et Robert und der Firma Comte untersucht, wie sich diese neuen technologischen Ansätze für die Standortvorbereitung im Kontext von Restaurierungsarbeiten nutzen lassen. Computer Vision und Deep Learning-Technologien wurden eingesetzt, um Fassadenaufnahmen automatisch in einen technischen Grundrissplan zu übersetzen. Dieses Lösungskonzept erlaubt es, die Interventionszeit und die Gerüstbauzeit drastisch zu reduzieren. Die Ergebnisse haben sich auf einigen Fassadentypen bewährt und weitere Entwicklungen werden gerade angestoßen, um den Anwendungsbereich weiter auszubauen. Die Lösung bietet Pateu et Robert und Comte einen signifikanten betriebswirtschaftlichen Vorteil und reduziert durch die verringerte Restaurationszeit gleichzeitig die Frustration jedes Touristen, der je in seinem Leben eine Stadt besucht hat und dabei feststellen musste, dass eines ihrer Meisterwerke gerade restauriert wird. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Prozess- und Geschäftsmodellinnovationen im Bereich der Restauration durch AI möglich sind.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie, an der die Teilnehmer des AI-Programms von Leonard beteiligt sind. Das Programm wurde speziell entwickelt, um die Nutzung von AI-Technologien innerhalb des VINCI-Konzerns zu beschleunigen. Es besteht aus einer fünfmonatigen Inkubationszeit, in der ausgewählte VINCI-Mitarbeiter einen Learning by doing-Prozess durchlaufen, in dem sie unter Anleitung und Betreuung des Leonard-Teams und von externen Beratern wie eleven strategy consultants einen AI-basierten Anwendungsfall umsetzen. Der Originalartikel unseres französischen Geschäftsbereichs ist hier zugreifbar.
Quellen:
2. https://numerisation3d.construction/lidar-et-scanner-laser-3d/?v=11aedd0e4327
3. https://news.cnrs.fr/articles/a-digital-twin-for-notre-dame
4. https://www.sixense-group.com/offre/sixense-digitalisation/